Der Schmerz des Andern

Wenn HerrBitte sich den kleinen Zeh stößt und jaulend auf einem Bein durchs Wohnzimmer hüpft, dann weiß ich zwar, wie weh das tut, kann mich aber was das Mitfühlen betrifft, ziemlich gut im Zaum halten ohne gleich mit dem Verbandskoffer (so was haben wir gar nicht) herbeizueilen und „Ooh, mein aaaaarmer Schatz“ zu kreischen.

Doch es gibt diesen Schmerz, den ich selber fühle, den ich körperlich spüre, im Herzen und im Bauch…der Schmerz ungewollt kinderlos zu sein. Wenn ich sehe, dass es HerrnBitte nicht gut geht, dass er traurig ist und unglücklich, dann ist es in der Regel mit dem „im Zaum halten“ vorbei. Das fühlt sich schlimmer an, als mein eigener Schmerz, der sich in solchen Momenten mit dazu mischt. Ich glaube, es ist die Hilflosigkeit und auch ein Funke Schuldgefühle, die es mir so schwer machen, das auszuhalten. Manchmal schaff ich es meinen eigenen Schmerz hinten an zu stellen und stark zu sein, aber die Hilflosigkeit bleibt. Was kann ich tun, damit es ihm besser geht? Wie gerne würde ich dann mit einem Verbandskoffer herbeieilen, spezielle Kügelchen und Tabletten parat haben, und ihm den Schmerz zu nehmen.

Ich könnte mich auch mit einem Koffer positiver Schwangerschaftstests oder einem Exemplar mit zuckersüßem Säugling zufrieden geben…ich denke, das könnte ebenfalls HerrnBittes (und meinem!!!) Wohlbefinden zuträglich sein. Hat vielleicht noch jemand so einen im Keller rumstehen?

Plötzlich erwachsen

Ich weiß nicht, wann es passiert ist, dass ich plötzlich kein Kind mehr bin, dass sich die Rollen vertauscht haben. Da ist kein PapaHeld mehr, der alles kann und alles richtig macht und keine SuperMama, die auf jede Frage eine Antwort hat. Ich hinterfrage und bin kritisch und sehe viele Dinge ganz anders als meine Eltern. Die Leichtigkeit und Unbeschwertheit ist weg und auf einmal mache ICH mir Sorgen, muss da sein und mich kümmern. Dann wird mir die Vergänglichkeit bewusst und ich bin traurig über viele Momente, in denen ich mich abgegrenzt habe, vielleicht zu kritisch war und über Zeit, die wir nicht zusammen hatten und traurig über die Zeit, die wir damals hatten, so leicht und einfach, und die jetzt so anders ist.

Aber die Liebe ist da, anders zwar, aber sie ist da. Vielleicht muss ich mich langsam an die „neue“ Rolle gewöhnen…ich glaub, so fühlt es sich an, wenn man erwachsen geworden ist!

Abschied

Der Titel dieses Beitrages steht schon sehr lange auf meiner brainstorm-BlogListe. Irgendwie scheue ich mich davor, ihn zu schreiben. Abschied nehmen liegt mir nämlich so gar nicht! Den Abschied aufs (virtuelle) Papier bringen…das macht ihn so real, das vollzieht ihn ein Stückchen mehr…

Und trotzdem muss ich Abschied nehmen, Abschied von dem Gedanken, irgendwann einmal schwanger zu sein. Die Seiten in Modemagazinen mit der Schwangerschaftsmode überblättern ohne daran zu denken „Irgendwann kann ich das auch anziehen!“, das Pröbchen FreiÖl (gegen Schwangerschaftsstreifen), das wir mal von der Apotheke bekommen haben und das seitdem in unserem Badezimmerschrank auf seinen Einsatz wartete, in den Müll schmeißen (vermutlich ist es eh schon abgelaufen) und die Dose FolsäureTabletten vernichten. Und ich muss Abschied nehmen von dem Gedanken, mit dickem Bauch durch die Gegend zu watscheln und mich lauthals zu beklagen, wie beschwerlich alles ist! Und ich muss Abschied nehmen von einem leiblichen Kind. Einem Kind, das in meinem Bauch wächst, das ich vielleicht strampeln spüre. Einem Kind, das aus HerrnBitte und mir entstanden ist, einem Kind, das vielleicht die Nase von HerrnBitte haben würde oder seine Lippen oder seine Füße oder sein Temperament und vielleicht meine Augen oder Haarfarbe…diese Abschiede sind so sehr traurig für mich und irgendwie endgültig und ich glaube, es wird lange dauern bis ich mich mit ihnen versöhnen kann. Ein wenig Traurigkeit und Wehmut wird mich vielleicht auch für immer begleiten.

Aber trotzdem: Wo ein Abschied ist, ist auch immer ein Neuanfang. Und der macht mir Hoffnung und gibt mir Kraft. Und wer weiß, wofür der nicht noch alles gut ist?!